Sieben Ratschläge, um sich auf die nächste Krise vorzubereiten – Fit für die Zukunft

04.06.2020 | Autor: Markus Weishaupt | Lesedauer: 8 Minuten

VON KRISE ZU KRISE – Die Krise der Jahre ab 2008 hat bei den Familienunternehmen drei Kategorien von Gewinnernhervorgebracht. Daraus lässt sich einiges für die aktuelle Covid-19-Krise lernen. Denn: Die nächste Krise kommt bestimmt. Deshalb finden Sie hier sieben Ratschläge, um sich auf die nächste Krise vorzubereiten.

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Ein in der SWZ (Südtiroler Wirtschaftszeitung) publizierter Artikel (29. Mai 2020).

Erinnern Sie sich an die ersten Jahre nach Ende 2008, die Finanzkrise, das Leid von Menschen und Unternehmen, Konkurse, Arbeitslosigkeit, die tragischen Schicksale von Millionen Menschen und Familienunternehmen auf der ganzen Welt? Diese harten Zeiten brachten viele Verlierer, aber auch einige Gewinner hervor. Mit der neutralisierenden Distanz eines Jahrzehntes seit dieser schwierigen Zeit könnte man im Nachhinein drei Gewinnerkategorien von Familienunternehmen identifizieren. Und aus dieser Betrachtung würden auch Vorbilder für die Navigation durch die gegenwärtige Krise ableitbar sein.

Die erste Kategorie besteht aus jenen Familienunternehmen, die lange vor den dramatischen Ereignissen nach dem Untergang von Lehman Brothers Ende 2008 wettbewerbsfähige Geschäftsmodelle, moderne Unternehmens- und Family-Governance sowie starke Finanzstrukturen geschaffen hatten. Diese weitgehend finanzmarktunabhängigen Unternehmen konnten die Rezession selbstbestimmt überstehen und ihre relative Wettbewerbskraft beträchtlich stärken. Sie erwiesen sich als äußerst widerstandsfähig und gingen unweigerlich als Gewinner der ersten Kategorie hervor.

Die Gewinner, die als Gewinner der zweiten Kategorie bezeichnet werden könnten, sind jene Familienunternehmen, die zwar nicht die überragende Stärke der ersten Kategorie hatten, wohl aber überlebten und zudem aus den harten Erfahrungen der Finanzkrise gelernt haben. Sie schafften es, durch harte Arbeit, eine gute Portion Kreativität, tiefes Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten, kalkulierte Hilfe durch meist regionale Banken oder das Vertrauen privater Investoren zu überleben. In den zehn Jahren bis zum heutigen Tag ist es ihnen gelungen, kräftige Strukturen und widerstandsfähige Geschäftsmodelle aufzubauen, sie wurden finanziell stärker, unabhängiger von Fremdkapital und bauten hohe Eigenkapitalquoten auf.

In der dritten Gewinnerkategorie finden sich all jene Unternehmen, denen es in der einen oder anderen Weise gelungen ist, mit viel Glück, Taktik und Anpassungsgeschick irgendwie die Krisenzeit zu überstehen. Allerdings haben die Unternehmen dieser Kategorie keine kritische Selbstbetrachtung und Analyse angestellt und die Krisenerfahrung nicht nutzen wollen, um daraus für die Zukunft zu lernen. Sie waren überglücklich, die harte Zeit überstanden zu haben, so wie auch die Betriebe der anderen beiden Kategorien. Die Erfahrungen hatten aber keine Auswirkungen auf die Art der Unternehmensführung; sie machten weiter wie vorher, ohne Strategie, das Geschäftsmodell, ihre Organisation und Governance zu ändern.

Die Unternehmen der dritten Kategorie werden mehr leiden als andere

Es dauerte ein Jahrzehnt von der weltweiten Rezession, die 2008 durch den Finanzsektor verursacht wurde, bis zur heutigen Covid-19-Krise, die uns an den Rand eines einzigartigen bevorstehenden weltweiten wirtschaftlichen Abschwungs bringt. Viele Ökonomen sind sich sicher, dass wir im Begriff sind, in die schwierigste Zeit seit der Weltwirtschaftskrise zwischen dem Ende der 1920er- und der 1930er-Jahre einzutreten.

Während Familienunternehmen der ersten und zweiten Kategorie höchstwahrscheinlich wieder überleben und gestärkt daraus hervorgehen werden, werden die Unternehmen der dritten Kategorie mehr leiden als andere. Sie werden mehr Sorgen und nachvollziehbare Existenzängste haben. Einige werden, wie vor zehn Jahren, ohne große Selbstkritik anderen die Schuld für all ihre Schwierigkeiten geben. Dieses Mal wird die Verantwortung nicht bei gierigen, kriminellen und unethischen Bankiers gefunden. Diesmal ist die Schuld ein winziges Virus, so klein, dass man es nicht einmal sehen, geschweige denn vor Gericht bringen kann. Diesmal wird die Schuld den eigenen oder fremden Regierungen angelastet werden.

Es ist richtig, dass der Auslöser dieser Krise – so wie 2008 – exogen ist, also nicht vom einzelnen Unternehmen selbst verursacht wurde. Bei aller Tragik im Einzelfall stellt sich die Frage, ob es dies rechtfertigt, jegliche unternehmerische Verantwortung abzulegen.

Einige Unternehmen möchten vielleicht die Gelegenheit ergreifen und aus der Krise, in der sich die gesamte Wirtschaft und auch der einzelne Betrieb befinden, lernen, um stärker und widerstandsfähiger zu sein, wenn die nächste Krise kommt. Wir mögen es glauben wollen oder nicht, aber die nächste Krise ist bereits in den Startlöchern. Sie brodelt irgendwo und wartet darauf, entfesselt zu werden, vielleicht von der Finanzwirtschaft, von einer Naturkatastrophe oder als Konsequenz der Covid-19-Krise. Deshalb sollten Familienunternehmen in Südtirol, so wie auf der ganzen Welt, einige Ratschläge beherzigen, um sich auf die Zukunft vorzubereiten, um stark genug zu werden, um die nächsten Monate und Jahre zu überstehen und auf den nächsten Ausbruch einer wie auch immer gearteten Krise vorbereitet zu sein.

Sieben Ratschläge, um sich auf die nächste Krise vorzubereiten

  • Bringen Sie Ihre Bilanzen in Ordnung: Überbrücken Sie den aktuellen Finanzbedarf mit Bankkrediten, Private Equity, Crowdfundings oder interessierten privaten Investoren. Definieren Sie aber auch schon jetzt das Ziel, Ihr Eigenkapital in Zukunft zu erhöhen, und versprechen Sie sich, die Gewinne den Rücklagen zuzuweisen. Vergessen Sie nicht: Die besten Familienunternehmen haben Eigenkapitalquoten von 50 bis 90 Prozent, die es ihnen ermöglichen, gerade in schwierigen Zeiten unabhängig zu sein und entsprechend zu handeln.
  • Cash is king: Die Finanzverwaltung und -planung der Unternehmen ist entscheidend. Wenn Unternehmen Konkurs anmelden, dann geschieht das nur aus einem Grund: Die Liquidität reicht nicht aus, um den Verbindlichkeiten nachzukommen. Das Unternehmen mit Liquidität zu versorgen, wenn es sich bereits in einer prekären Situation befindet, ist keine leichte Aufgabe. Richten Sie eine professionelle Liquiditätsplanung ein. Auf lange Sicht sollten Sie sicherstellen, dass Sie zu jedem Zeitpunkt über einen Liquiditätsüberschuss verfügen, um die Kosten für sechs Monate zu decken.
  • Kundenzentriertheit: Familienunternehmen finden, wie alle anderen Unternehmen auch, ihre Existenzberechtigung in der Nützlichkeit für ihre Kunden. Es könnte an der Zeit sein, Ihr Angebot zu schärfen, Ihre Produktmerkmale und Dienstleistungen neu zu definieren. Dabei findet die Schärfung meistens durch Reduktion statt. Weglassen ist in vielen Fällen wertschöpfender als hinzufügen. Finden Sie Differenzierungen, die der Kunde zu honorieren bereit ist.
  • Die Unternehmenskultur: Die Krise lehrt, dass Loyalität ihre Kraft beweist, wenn es hart auf hart kommt. In Menschen und in ihre Kompetenzen zu investieren, sie als Gleichberechtigte an der Entwicklung des Unternehmens und an wichtigen Entscheidungsfindungen teilhaben zu lassen, ist der Schlüssel zur Loyalität. Wenn sich Unternehmen nicht auf ihre Mitarbeiter und Mitarbeiter nicht auf ihre Unternehmen verlassen können, haben sie nicht nur wesentliche Wettbewerbsnachteile, gerade in einer Krise bedeutet dies das definitive Aus.
  • Schlanke Unternehmens- und Family-Governance: Stellen Sie sicher, dass die Entscheidungsprozesse schlank sind, insbesondere in stressigen Zeiten, ohne dabei Qualität einzubüßen und Augenmaß zu verlieren. Die Anpassung Ihrer Unternehmens- und Family-Governance-Logik könnte das Familienunternehmen beim nächsten Mal retten.
  • NextGen-Unternehmer: Entgegen der landläufigen Meinung kann die Krise ein idealer Zeitpunkt sein, um die Führung des Unternehmens an die nächste Generation zu übergeben. Verstehen Sie das nicht falsch: Senioren sind nicht dazu aufgerufen, das sinkende Schiff zu verlassen, aber wenn die nächste Generation bereits über genügend Kompetenz verfügt und zudem bereit ist, in einer Krisensituation mit vollem Einsatz und Risikobereitschaft den Betrieb zu übernehmen, kann es ein idealer Zeitpunkt sein, dies zu tun und sich zu beweisen.
  • Märkte erweitern: Neuerdings erklären einige Experten, dass die Globalisierung am Rande des Scheiterns stehe und dass lokale Kreisläufe die einzige Lösung für unsere wirtschaftlichen und sozialen Probleme seien. Halten Sie Ihre Internationalisierungsbestrebungen nicht auf. Im Gegenteil, bringen Sie Ihre Aktivitäten, Produkte und Dienstleistungen in die Welt. Es ist erwiesen, dass international tätige Unternehmen ihr Risiko zu scheitern, erheblich reduzieren. Krisen haben selten globale Auswirkungen, die meisten von ihnen sind regional. Je mehr Weltregionen Sie abdecken, desto leichter wird es sein, auch in Zukunft zu überleben. Dies sind nur einige wenige Lektionen, die uns erfolgreiche, über mehrere Generationen tätige Familienunternehmen lehren. Ihre hervorragende Familienunternehmen-DNA beweist der Welt der Familienunternehmen, zu der auch die Südtiroler Unternehmen gehören, dass das bewusste und konsequente Anwenden des Family-Business-Modells die Wahrscheinlichkeit des Überlebens erhöht. Jedes Familienunternehmen sollte daran interessiert sein, von diesen wertvollen Erkenntnissen zu profitieren.